Oft hören wir dies oder Ähnliches:
"Sei gut in der Schule und mach ein gutes Abi, dann kannst du was gutes studieren und einen guten Job bekommen. Dann kannst du viel arbeiten und viel Geld verdienen. Dann irgendwann mit 60 (wenn du Glück hast) kannst du endlich in Rente gehen, reisen, dich entspannen und frei sein".
Blöd nur, dass man dann eben 60 ist. Die Knochen tun weh, man kann sich nicht mehr so gut bewegen. Muskeln sind verkommen durch Jahre von Büroarbeit.
Also, einfach ein Leben lang zu ackern, um dann manchmal in den Urlaub fahren zu können, kann nicht wirklich das Ziel sein.
Arbeit sollte nichts sein, womit wir uns quälen um dann irgendwann "frei" zu sein.
Wir alle sollten unseren Beruf finden, einen Beruf, welcher uns wirklich Sinn gibt, welcher sich schon wie Freizeit anfühlt.
Was macht mir heute Spaß und gibt mir Sinn? Kann ich das irgendwie monetisieren?
Falls ja, Glückwunsch: Du hast deinen Beruf gefunden.
Falls nein: Finde einen Weg! Schon vor 10 Jahren hätte niemand gedacht, dass Leute, die ihr Leben filmen oder im Internet komische Artikel schreiben, damit Geld verdienen können.
Und heute: Blog-Millionäre, Influencer und YouTuber, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben.
Das ist das Ziel.
Nicht ein verschobener Lebensplan, in welchem Arbeit nur die notwendigen Qualen für die spätere "Freiheit" darstellt.
Hier folgt noch eine Anekdote von Heinrich Böll, die sehr gut zu diesem Thema passt.
Heinrich Böll veröffentlichte diese Kurzerzählung mitten im deutschen Wirtschaftsboom, dazu noch am Tag der Arbeit.
Böll stellt die neu eroberten Werte des Wirtschaftsbooms und der Produktivität in Frage.
Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral
In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem Fischerboot und döst.
Ein schick angezogener Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen Fotoapparat, um das idyllische Bild zu fotografieren: blauer Himmel, grüne See mit friedlichen, schneeweißen Wellenkämmen, schwarzes Boot, rote Fischermütze.
Klick.
Noch einmal: klick, und da aller guten Dinge drei sind und sicher sicher ist, ein drittes Mal: klick.
Das spröde, fast feindselige Geräusch weckt den dösenden Fischer, der sich schläfrig aufrichtet, schläfrig nach seiner Zigarettenschachtel angelt.
Aber bevor er das Gesuchte gefunden, hat ihm der eifrige Tourist schon eine Schachtel vor die Nase gehalten, ihm die Zigarette nicht gerade in den Mund gesteckt, aber in die Hand gelegt, und ein viertes Klick, das des Feuerzeuges, schließt die eilfertige Höflichkeit ab.
Durch jenes kaum messbare, nie nachweisbare zuviel an flinker Höflichkeit ist eine gereizte Verlegenheit entstanden, die der Tourist - der Landessprache mächtig - durch ein Gespräch zu überbrücken versucht.
"Sie werden heute einen guten Fang machen."
Kopfschütteln des Fischers.
"Aber man hat mir gesagt, dass das Wetter günstig ist."
Kopfnicken des Fischers.
"Sie werden also nicht ausfahren?"
Kopfschütteln des Fischers, steigende Nervosität des Touristen.
Gewiss liegt ihm das Wohl des ärmlich gekleideten Menschen am Herzen, nagt an ihm die Trauer über die verpasste Gelegenheit.
"Oh? Sie fühlen sich nicht wohl?"
Endlich geht der Fischer von der Zeichensprache zum wahrhaft gesprochenen Wort über. "Ich fühle mich großartig", sagt er.
"Ich habe mich nie besser gefühlt."
Er steht auf, reckt sich, als wollte er demonstrieren, wie athletisch er gebaut ist.
"Ich fühle mich phantastisch."
Der Gesichtsausdruck des Touristen wird immer unglücklicher, er kann die Frage nicht mehr unterdrücken, die ihm sozusagen das Herz zu sprengen droht:
"Aber warum fahren Sie dann nicht aus?"
Die Antwort kommt prompt und knapp. "Weil ich heute morgen schon ausgefahren bin." "War der Fang gut?"
"Er war so gut, dass ich nicht noch einmal ausfahren brauche, ich habe vier Hummer in meinen Körben gehabt, fast zwei Dutzend Makrelen gefangen."
Der Fischer, endlich erwacht, taut jetzt auf und klopft dem Touristen auf die Schulter. Dessen besorgter Gesichtsausdruck erscheint ihm als ein Ausdruck zwar unangebrachter, doch rührender Kümmernis.
"Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug!" sagte er, um des Fremden Seele zu erleichtern.
"Rauchen Sie eine von meinen?"
"Ja, danke."
Zigaretten werden in Münder gesteckt, ein fünftes Klick, der Fremde setzt sich kopfschüttelnd auf den Bootsrand, legt die Kamera aus der Hand, denn er braucht jetzt beide Hände, um seiner Rede Nachdruck zu verleihen.
"Ich will mich ja nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten mischen", sagt er, "aber stellen Sie sich mal vor, Sie führen heute ein zweites, ein drittes, vielleicht sogar ein viertes Mal aus, und Sie würden drei, vier, fünf, vielleicht sogar zehn Dutzend Makrelen fangen.
Stellen Sie sich das mal vor!"
Der Fischer nickt.
"Sie würden", fährt der Tourist fort, "nicht nur heute, sondern morgen, übermorgen, ja, an jedem günstigen Tag zwei-, dreimal, vielleicht viermal ausfahren - wissen Sie, was geschehen würde?"
Der Fischer schüttelt den Kopf. "Sie würden sich in spätestens einem Jahr einen Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites Boot, in drei oder vier Jahren könnten Sie vielleicht einen kleinen Kutter haben, mit zwei Booten oder dem Kutter würden Sie natürlich viel mehr fangen - eines Tages würden Sie zwei Kutter haben, Sie würden...",
- die Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke die Stimme -
"Sie würden ein kleines Kühlhaus bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber rundfliegen, die Fischschwärme ausmachen und Ihren Kuttern per Funk Anweisung geben, sie könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler direkt nach Paris exportieren - und dann..."
- wieder verschlägt die Begeisterung dem Fremden die Sprache -
Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, seiner Urlaubsfreude schon fast verlustig, blickt er auf die friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen Fische munter springen.
"Und dann", sagt er, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die Sprache.
Der Fischer klopft ihm auf den Rücken wie einem Kind, das sich verschluckt hat.
"Was dann?" fragt er leise.
"Dann", sagt der Fremde mit stiller Begeisterung,
"dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen, in der Sonne dösen - und auf das herrliche Meer blicken."
"Aber das tu ich ja schon jetzt", sagt der Fischer, "ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur Ihr Klicken hat mich dabei gestört."
Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich von dannen, denn früher hatte er auch einmal geglaubt, er arbeite, um eines Tages einmal nicht mehr arbeiten zu müssen, aber es blieb keine Spur von Mitleid mit dem ärmlich gekleideten Fischer in ihm zurück, nur ein wenig Neid.
Heinrich Böll
Der in Köln geborene Heinrich Böll (1917-1985) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Nachkriegsschriftsteller. Er wurde 1972 mit dem Nobelpreis für Literatur und zuvor mit einem Preis der ‚Gruppe 47’ ausgezeichnet. Seine Romane, Essays oder Kurzgeschichten beschäftigen sich kritisch mit der zur damaligen Zeit jungen Bundesrepublik Deutschland.
Der Text wurde von Böll ursprünglich für eine Sendung des norddeutschen Rundfunks zum Tag der Arbeit’ am 1. Mai 1963 verfasst.
Es sind verschiedene Werte der Wirtschaftswunderzeit, die ins Visier der böllschen Ironie geraten, nicht nur der Materialismus, vor allem auch die hektische Betriebsamkeit, die sich Ruhe nur dann gönnt, wenn sie durch ein arbeitserfülltes Leben als gerechtfertigt erscheint.
Wahrscheinlich wollte Heinrich Böll mit seinem Text zeigen, dass Reichtum und Besitz nicht unbedingt Voraussetzung für ein glückliches, zufriedenes Leben sein müssen.
Der Fischer benötigt keinerlei Luxusgegenstände, um Glück zu empfinden.
Ihm genügt es schon, zerlumpt gekleidet in der Sonne zu dösen.
Mir zeigt der Text, dass es im Leben nicht unbedingt darauf ankommt, Geld anzuhäufen, um es sich später einmal besser gehen zu lassen.
Also, Geld kann kein Glück kaufen.
Geld macht nicht glücklich und so weiter und so fort.
Aber kein Geld, kann gar nichts kaufen, kein Geld zu haben macht uns definitiv nicht glücklich.
Armut bringt Stress, Krankheit, dauerhafte Sorgen.
Das komplette Aufgeben von jeder Form des Wohlstands und Besitzes ist also auch nicht die Lösung.
Mit Geld können wir uns schützen, wir können uns Dinge kaufen, die unser Leben erleichtern, wir können unseren Kindern Bildung und Komfort ermöglichen.
Das Problem ist nur, dass das dauerhafte Anhäufen von Geld, ab einem bestimmten Punkt kein Wohlbefinden mehr bringt.
Also macht Geld jetzt glücklich oder nicht?
Hier sind die Fakten:
Ein paar neuere Studien deuten darauf hin, dass mehr Geld zu haben tatsächlich dafür sorgt, dass man glücklicher ist.
Aber es scheint eine Grenze zu geben.
Eine Studie von Princeton hat vor einiger Zeit gezeigt, dass Glück und Wohlbefinden bei einem Einkommen von über $75.000 nicht mehr wirklich drastisch zunehmen.
Oberhalb einer bestimmten Schwelle, ab der du dich und deine Familie ernähren kannst,
werden die meisten Menschen mit Geld allein nicht viel glücklicher.
Also ist etwas anderes für das Glück erforderlich.
Glück ist eines der wenigen Dinge, die Menschen um ihrer selbst willen anstreben.
Aber es gibt ein Problem mit Glück.
Und zwar, dass die meisten von uns zu glauben scheinen:
Sobald ich "XY" gekauft, fertiggestellt, gefahren, gebaut, abgeschlossen habe,
werde ich einfach für immer glücklich sein und nichts wird jemals wieder schlecht sein.
Wenn du jemals versucht hast ein Mensch zu sein, hast du vielleicht bemerkt, dass Glück so nicht funktioniert.
Jemals.
Sinn scheint ein viel nachhaltigeres Ziel zu sein als Freude.
Und nach dem, was wir bisher wissen,
folgt das zweite oft dem ersten nach.
„Je mehr der Mensch nach Glück jagt, umso mehr verjagt er es auch schon. Um dies zu verstehen, brauchen wir nur das Vorurteil zu überwinden, dass der Mensch im Grund darauf aus sei, glücklich zu sein; was er in Wirklichkeit will, ist nämlich, einen Grund dazu zu haben. Und hat er einmal einen Grund dazu, dann stellt sich das Glücksgefühl von selbst ein. In dem Maße hingegen, in dem er das Glücksgefühl direkt anpeilt, verliert er den Grund, den er dazu haben mag, aus den Augen, und das Glücksgefühl selbst sackt in sich zusammen. Mit anderen Wort, Glück muss erfolgen und kann nicht erzielt werden.“
- Viktor Frankl
Das wahre Gefühl von Glück und Freude kommt von einem sinnvollen Beruf, einem Beruf, von dem du nicht jedes halbe Jahr einen Urlaub nehmen musst.
Das Ziel ist es, seinen Beruf zu lieben. Nicht nur zu arbeiten und sich zu quälen um dann irgendwann wirklich frei und glücklich und zufrieden zu sein.
Der Tourist verkörpert zu Anfang der Erzählung den Idealtyp der Zeit: Erfolg ermöglicht ihm Bildung und Reisen.
Dass er im Ausland Urlaub machen kann, erscheint ihm als selbst erzieltes Resultat erfolgreichen wirtschaftlichen Handelns, zu dem die sorglose „Faulenzerei“ des Fischers einen Kontrast bildet, der den Touristen von Anfang an irritiert.
Die Haltung des Fischers zeigt die postmaterialistischen Grundhaltung, die sich nach dem Wirtschaftswunder auch in den führenden Industrieländern Europas verbreitete.
Die Menschen merkten, dass Geld und Wohlstand zwar die Sorgen der Armut vertrieben und das Leben wirklich besser machten - jedoch nur bis zu einem bestimmten Punkt.
Geld zu haben, befreit den Menschen von den Sorgen der Armut, aber einen grundlegenden Sinn im Leben, gibt es ihm nicht.
Diesen Grund zum Leben gilt es zu finden.
Und das ist eine Suche, die jeden Einzelnen auf seinen eigenen Weg führt.
Viktor Frankl sagte einmal:
„Was der Mensch wirklich will, ist letzten Endes nicht das Glücklichsein, sondern ein Grund zum Glücklichsein.“
Und ich denke, er hat Recht. Ein Sinn im Leben, das ist es was es zu finden gilt.
Ein Sinn im Leben zu haben, bedeutet, auch in schweren Zeiten nicht aufzugeben.
Denn wenn es dein Ziel ist, immer glücklich zu sein, was machst du dann in traurigen, schmerzhaften und tragischen Situationen?
Sinn hilft ein guten wie in schlechten Zeiten.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit nahmst, meinen Post zu lesen.
Ich freue mich immer über eine Rückmeldung, also schreibe mir einen Kommentar oder eine Email.
In diesem Sinne: Viel Spaß und Erfolg bei der Suche nach deinem Grund zum Glücklichsein,
Max Englisch.
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